Tüfujeger-Tour 2010/11

Carrying only humble possessions along with a pencil, sketchbook and spray cans in his backpack the «Tüfujeger-Tour» is the story of an artist traveling by bicycle around the globe. But lets hear what he has to tell us...
Tüfujeger-Tour – ein innerer Dialog will in die Welt hinaus!

Ein leises Wispern – zuerst undeutlich und leise – wuchs stetig zu einem ohrenbetäubenden Donnern, einem Dröhnen, das mich umgab und mich schier betäubte. Ich brauchte Stille, brauchte Einsamkeit. Der gleichmässige Rhythmus beim Fahrradfahren beruhigt, beruhigt Gemüt und Gedanken, lässt das innere Donnern und Schreien abklingen. Das Fahren fördert den Fluss der Gedanken, besonders, wenn nicht heulende Motoren die Stille zerschneiden.


Die Fortbewegung auf der Strasse, ist ein Balanceakt auf einer Schnittstelle. Besonders auf den Nebenstrassen, durchquere ich des Öfteren Regionen mit wenig Zivilisation, immer jedoch gebunden an das Asphalt-, Schotter-, oder Kiesband, welches als eindeutige Spur, als Einschnitt der zivilisierten Welt, die Natur durchschneidet.


Sobald ich mein Zelt aufstelle, auch wenn nur wenig abseits der Strasse, befinde ich mich in der Natur, werde ich zu einem Teil davon, hinterlasse nichts, ausser flachgedrücktem Gras. Eines wurde mir auch schmerzhaft bewusst: Unberührte, wilde Natur zu finden, ist in der heutigen Zeit, in unserer westlichen Welt, nicht mehr so einfach, gerade wenn man sich auf und nicht abseits der Strasse bewegt.


Überall treffe ich auf kultivierte Landschaft, auf kontrolliertes Wachstum, treffe ich auf Tierkadaver, auf unkontrolliertes Töten, treffe ich auf die oft rücksichtslose Handschrift der Menschheit. Spuren zu hinterlassen ist ein Bedürfnis von uns Menschen, doch muss es unbedingt auf Kosten von anderem Leben sein? Weshalb dieser krankhafte Versuch über alles zu herrschen, überall Kontrolle auszuüben?


Auch ich verstehe mich als Teil dieser Mechanismen, sehe mich als Teilhabenden an gewissen Untaten. doch versuche ich eine Alternative zu leben, versuche respekt- und rücksichtsvoll meinen Alltag zu bestreiten.


Vor wenigen Tagen, in der Westtürkei, durchschritt ich eine antike Ruine eines einstigen Badetempels. Trockengemauerte Steinbogen, Mauern und Säulen, durch Erdbeben neuformiert, von der Erosion gezeichnet, mit Pflanzen überwuchert, vom Geruch des blühenden Frühlings umgeben und vom Gesang der Vögel besungen. Aus dem Ineinanderwirken von Kultur und Natur entstand ein romantischer Ort von erhabener Schönheit, eine Idylle, die nicht mehr nach einer Unterscheidung und Wertung der Begriffe Natur und Kultur fragte, sondern erzählte von gegenseitiger Bedingtheit.


Vielleicht liegt es auch im Wesen der Natur, dass alles Leben nach grösstmöglicher Ausbreitung strebt, nach Territorium verlangt und schiesslich rücksichtslos versucht, sich sein Terrain zu erkämpfen. In diesem Fall schliesst sich der Mensch an in der Kette der ewig kämpfenden, sich zerfleischenden Natur. Doch irgendwie scheint mir dies ziemlich unüberlegt und dumm für ein Wesen, das sich versucht abzuheben von der Wildheit, dem Unkontrollierten der Natur und als Antwort nur eines weiss zu tun; genau dasselbe!


Auf dem Fahrrad er-fahre ich die Welt. Sonne, Regen, Wind und Kälte spüre ich auf der Haut, beissende Abgase, der Geruch des feuchten Asphalts und der süssliche Duft der Blumen steigen mir in die Nase, das Geschrei von Verbrennungsmotoren, Vogelgezwitscher, das Plätschern eines Baches, das Rauschen der Blätter im Wind, die Zurufe der Passierten lassen mein Trommelfell schwingen und das überall reflektierte Licht lässt die Formen- und Farbenvielfalt dieser Welt durch meine Augen mein Bewusstsein erreichen. Keine Schutzkapsel, die mich umgibt, die mich der steten Sinneseindrücke berauben würde.


Auf kilometerlangen Steigungen brennen meine Beine, Abfahrten bei Tempo 60 oder 70 lassen mein Herz höher schlagen, den Adrenalinspiegel ansteigen. Mein Körper lässt mich die Welt mit all ihren Facetten wahrnehmen. Er ist kein Vehikel zur Selbstinszenierung, sondern zur Welt- und dadurch zur Selbsterfahrung. Ein Körper wird geformt und die darin wachsende Persönlichkeit versucht die Sinneseindrücke, Gedachtes und Gefühltes zu verarbeiten.


Sowohl während meiner Reise wie auch danach finden künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Begegneten statt. Im Skizzenbuch, auf Wänden, mit Steinen oder Fundobjekten, im Siebdrucktatelier oder in der Natur er-schaffe ich ein Gedächtnis, erinnere und vergesse ich Erlebtes. Ich lasse zurück, was ich antreffe, ich treffe an, was andere zurück lassen, ich vergesse und erinnere in einem Prozess, der keinen Anfang und kein Ende kennt. Vielleicht nennt sich das leben?


Tüfujeger
- Mai, 2011


Navigation
copyright by artacks © 2010 - all rights reserved - info@artacks.ch - lets artack!
Back to page top